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aktuell_2015-08-03

Langzeitarbeitslosigkeit – es gibt kein „Patentrezept“

Sozialpolitische Diskussion mit Staatssekretär Nägele auf dem historischen Zweimaster Johanne / Fahrt von Glückstadt nach Wewelsfleth

johanne 03082015 kl
Leidenschaftliche Diskussion an Bord der Johanne mit Staatsskretär Frank Nägele (li.), und Martin Meers, Geschäftsführer der AWO Bildung und Arbeit. (Foto: AWO/Kienitz)

Glückstadt/Wewelsfleth – Die Arbeitslosenquote sinkt, in vielen Branchen steigen die Löhne und die Suche nach Fachkräften wird für immer mehr Betriebe zu einem Problem. Und dennoch gibt es immer noch zahlreiche Schleswig-Holsteiner ohne feste Anstellung. „Wir müssen auch diesen Menschen wieder den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Zum einen weil Arbeit ein wichtiger Faktor des Lebens ist, zum anderen weil die Arbeitskraft in den Unternehmen gebraucht wird“, erklärte Frank Nägele, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium, zu Beginn eines Meinungsaustauschs an Bord des historischen Zweimasters „Johanne“. Auf der Fahrt von Glückstadt nach Wewelsfleth waren Experten aus Wirtschaft, Politik und sozialen Institutionen zusammen gekommen, um über das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit zu diskutieren. Laut Statistik gibt es in Schleswig-Holstein nach Aussage des Staatssekretärs etwa 37.000 Langzeitarbeitslose.

Martin Meers, Geschäftsführer der AWO Bildung und Arbeit, machte deutlich, dass es ein „Patentrezept“ nicht geben könne. „Wir müssen Bündnisse in der Region ins Leben rufen und individuelle Betreuungsangebote schaffen, um das Problem nachhaltig in den Griff zu bekommen. Und wir müssen langfristige Perspektiven bei unseren Projekten haben“, sagte Meers. Er wies vor allem darauf hin, dass die von den Jobcentern bewilligten Maßnahmen in der Regel auf ein halbes Jahr begrenzt sind. „Viel zu wenig, um den betroffenen Menschen eine Chance zu geben, auch auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen“, meinte Meers.

Im Verlauf der Diskussion wurde angeregt, mehr Angebote für junge Mütter vorzuhalten, damit sie erst gar nicht in den Sog der Arbeitslosigkeit geraten. „Wenn die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder verbessert werden, und junge Frauen deshalb weiterarbeiten können, ist eine Wiedereingliederung gar nicht mehr nötig“, gab Martina Götz von der Beruflichen Bildung im DHB, Pinneberg, zu bedenken. Aus Sicht der Arbeitgeber machte Sven Timmermann von der DAW SE, Werk Nindorf (Meldorfer Flachverblender), deutlich, dass die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen oftmals keine Frage der Fördergelder sei. „Die Integration ist jedoch mit einem großen Aufwand verbunden. Wir sind dann nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Erzieher und Vermittler. Selbst die Frage ‚Wie komme ich ohne Führerschein zum Arbeitsplatz?‘ wird dabei zu einem Problem“, gab Timmermann zu bedenken.

Neben der Frage, wie qualifizierten Flüchtlingen möglichst rasch der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht werden kann, wurde auch das Thema „öffentliche Beschäftigung“ diskutiert. Das Problem dabei: Wenn zum Beispiel Kommunen Langzeitarbeitslose anstellen, um niedrigschwellige Aufgaben zu erledigen, werden sie so zumindest in einigen Fällen zu einer möglichen Konkurrenz für bestehende Betriebe, die diese Aufträge gern übernähmen. Dennoch bekannte sich Staatssekretär Nägele in der Expertenrunde zur Öffentlichen Beschäftigung: „Nur weil es diesen Konflikt gibt, können wir diese Maßnahmen nicht einfach ablehnen.“